DIE WELTMEISTER

Der 22. Februar 2023 veränderte ihr sportliches Leben. Kein Wunder: Seit jenem Mittwoch dürfen sich Nadya Ochner und Aaron March Weltmeister im Mixed Team Event nennen.

Ein WM-Titel für Südtirol im Snowboard – das gelang vor Ochner und March letztmals Roland Fischnaller, der sich 2015 den Titel im Parallel-Slalom sicherte. 8 Jahre, in denen es ausschließlich Fischnaller vorbehalten war, bei Großanlässen Nervenstärke zu zeigen. Nun – in Bakuriani in Georgien räumten Ochner und March mit dem Vorurteil auf, dass „nur“ Fischnaller nervenstark genug ist für Edelmetall. Denn ja – Nervenstärke war an jenem 22. Februar mehr als nur gefragt. Bei widrigen Bedingungen mit orkanartigem Wind, Nebel und Schneefall waren alle 24 teilnehmenden Paare extremst gefordert.
Aaron March, der jeweils vorlegen musste, sowie Nadya Ochner, die als 2. Fahrerin keine Schwächen zeigten durfte, waren eine Klasse für sich. Spätestens ab dem gewonnenen Viertelfinale gegen die Favoriten Fabian Obmann/Daniela Ulbing (Österreich) war klar, dass alles möglich sein würde. Im Halbfinale gegen die Teamkollegen Maurizio Bormolini/ Lucia Dalmasso war das Selbstvertrauen bereits der entscheidende Faktor (March zermürbte zuerst Bormolini, dann stürzte Dalmasso), um ins Finale einzuziehen. Und dort setzten sie dem Ganzen die Krone auf: Zuerst deklassierte March Andreas Prommegger um 0,74 Sekunden, Ochner verwaltete den Vorsprung gegenüber Sabine Schöffmann perfekt und setzte sich am Ende um 0,30 Sekunden durch – WM-Gold war perfekt!
Nadya Ochner
Spricht man Nadya Ochner auf den Sieg an, bekommt sie noch immer Gänsehaut: „Es war nach meiner schweren Zeit mit der langwierigen Knöchelverletzung, wegen der ich mich ja erst ganz spät auf die Saison vorbereiten konnte, extrem emotional. Gold kam aus dem Nichts, es war eine Erlösung nach der ganzen Qual.“ Weil sich Ochner im Frühling 2022 beim Mountainbiken den rechten Knöchel brach und die Platte in Folge Schwierigkeiten machte, eine weitere OP vornehmen musste, stieg sie erst im Jänner 2023 in den Weltcup ein – quasi ohne Konditions- und Schneetraining.
Geändert hat sich für die 30-Jährige aus Burgstall seit dem WM-Titel nur ganz wenig: „Wir wurden oft eingeladen, die Anerkennung bei den Leuten ist groß. Und das genießt man“, gibt Ochner zu. Und: „Wir haben vom FISI-Verband einen Audi bekommen, den wir uns jetzt teilen.
3 Monate fährt Aaron damit herum, 3 Monate ich. Das weiß ich schon zu schätzen“, ist Ochner bescheiden.
WM-Gold ist im Trophäenschrank verstaut, die schwere Fußverletzung endgültig Vergangenheit – unter diesen Voraussetzungen geht Ochner nun in ihre 14.
Weltcupsaison. „Ich konnte heuer optimal trainieren, habe beim Kondi-Training vieles nachholen können, was im Sommer und Herbst 2022 nicht möglich war.“
Und: Ochner steht vor dem Abschluss ihres Jura-Studiums. „Die Prüfungen habe ich alle gemacht, die letzte am 7. November über Strafprozessordnung. Jetzt fehlt noch die Doktorarbeit. Gut möglich, dass ich sie über Sportrecht mache, und hier über die Antidoping-Gesetze. Die sind in Italien ja extrem streng, weil sie auch strafrechtlich verfolgt werden. Auch das Vertragsrecht von Sportlern mit Sponsoren interessiert mich.“
Nicht so richtig einordnen will Ochner ihre Ziele für die neue Saison: „Das ist schwierig. Im Vorjahr war es wegen meiner Verletzung ein totales Auf und Ab. Ich will wieder Konstanz reinbringen, unabhängig von den Bedingungen. Konstant unter die Top 8 zu fahren ist mein Ziel, egal ob im Riesentorlauf oder im Slalom.“
Und dann ist da noch die Erinnerung an einen ganz speziellen Frühling und Sommer 2023. „Da war ich ganz weit weg vom Snowboardfahren, ich war gedanklich und räumlich in einer völlig anderen Welt. Ich konnte das Geschehene der Saison lange Zeit nicht richtig verarbeiten und habe das bei einem dreiwöchigen Urlaub auf Zypern, bei dem ich ganz alleine unterwegs war, gemacht. Im Herbst war ich noch in Kolumbien, auf einem Roadtrip mit anderen Abenteurern, die ich alle nicht gekannt habe. Es war sensationell.“
Aaron March
Der 37-Jährige, mit Roland Fischnaller das größte Aushängeschild des Südtiroler Brettlsports, erfüllte sich mit WM Gold ebenfalls seinen vorletzten Karrieretraum.
Gesamt-Weltcupsieger ist er (2021), 2 kleine Kugeln hat er ebenfalls, und wie bei Fischnaller ist eine Olympia-Medaille das Einzige, was ihm noch fehlt in seiner Trophäensammlung. Mit Rang 4 im Parallel-Slalom 2014 in Sotschi war March schon ganz nahe dran, aber das ist längst Vergangenheit.
WM-Gold im Team Event mit Nadya Ochner war für den Besitzer eines Fitness-Studios in Seis im Jahr 2023 nicht das einzige Highlight – ein viel größeres erlebte er am 15. Juli, als er seine langjährige Lebensgefährtin Andrea und Mama ihrer gemeinsamen Tochter Alina (sie ist 7) vor den Traualtar führte. Und lacht: „Anfangs wollten wir es ganz klein halten.
Aber dann wuchs die Liste der Geladenen immer mehr an, und zum Schluss waren wir 80 Leute. Ein unvergesslich schöner Tag“, blickt March zurück. Nachdem er sein Leben als Sportler und Privatmensch ohnehin richtig einzuschätzen vermag: „Auch als Weltmeister lebt es sich immer gleich. Und jetzt startet eh alles wieder bei Null.“
Zumal die vergangene Saison nicht unbedingt top war – trotz eines Podesplatzes beim Parallel-Riesentorlauf in Cortina d’Ampezzo als Dritter. „Ich bin gut reingekommen in die Saison, aber dann war sie eher durchwachsen. Gottseidank hat mich der WM-Titel mit Nadya für alle Enttäuschungen vorher entschädigt.“
Das große Ziel von March für heuer ist, ein konstant hohes Level zu zeigen, sprich in allen Rennen in der Entscheidung um den Tagessieg mit dabei zu sein. Im Slalom tue ich mich intuitiv leichter, im Riesentorlauf muss ich viel fester an mir arbeiten. Auf diesem Niveau geht halt nichts aus dem Stegreif. Wer Fehler macht, hat keine Chance.“

Quelle: Andere 23.11.2023